Lange oder kurze Zinsbindung?

Ob bei einer Immobilienfinanzierung eine Zinsbindung über 10, 20 oder sogar 30 Jahre sinnvoll ist, lässt sich – wer hätte es gedacht – nicht pauschal beantworten. Eine lange Zinsbindung funktioniert ähnlich wie eine Versicherung: Man zahlt eine Prämie für Sicherheit. Diese Prämie wird im Sollzins eingepreist. Dafür darf die Bank den Zinssatz nach Ablauf der ersten 10 Jahre nicht erhöhen, selbst wenn das allgemeine Zinsniveau stark gestiegen ist.

Ob dieser „Versicherungsfall“ tatsächlich eintritt, weiß allerdings niemand. Damit ist die Entscheidung für oder gegen eine lange Zinsbindung immer auch eine Wette auf die zukünftige Zinsentwicklung.

Was beeinflusst die Bauzinsen?

Oft wird angenommen, dass Banken Baukredite einfach aus ihrem Eigenkapital finanzieren. In Wirklichkeit refinanzieren sie sich größtenteils über sogenannte Pfandbriefe. Die Zinsen dieser Pfandbriefe wiederum orientieren sich – mit leichter Verzögerung – an den Leitzinsen der Europäischen Zentralbank (EZB).

Hier kommt ein wichtiger Punkt ins Spiel:

Die Eurozone ist dringend auf ein niedriges Zinsniveau angewiesen. Länder wie Griechenland, Italien und Spanien haben so hohe Staatsverschuldungen, dass selbst moderate Zinserhöhungen ihre Zahlungsfähigkeit bedrohen könnten. Hinzu kommt, dass wir uns am Ende einer langen Konjunkturphase befinden. Die Gewinne vieler Unternehmen leiden bereits unter internationalen Handelskonflikten. In diesem Umfeld wirken steigende Zinsen wie Gift auf Wirtschaft und Arbeitsmärkte.

Deshalb ist davon auszugehen, dass die EZB Zinserhöhungen – wenn überhaupt – nur sehr vorsichtig und in kleinen Schritten vornimmt. Solange die politische und wirtschaftliche Struktur der EU stabil bleibt, ist ein massiver Zinsanstieg auf Vorkrisenniveau (z.B. über 5 %) sehr unwahrscheinlich.

Wie kann ich mein Risiko kalkulieren?

Im Leben versichert man sich üblicherweise auch nicht gegen jedes erdenkliche Risiko – sondern nur gegen jene, die man nicht selbst tragen kann oder will. Genauso bei der Immobilienfinanzierung: Die Frage lautet nicht nur „Wie entwickeln sich die Zinsen?“, sondern vor allem:

Kann ich mir im Fall eines Zinsanstiegs die neue Rate leisten?

Dazu hilft eine Beispielrechnung mit einem langfristigen Durchschnittszins von 6–7 %:


Beispiel 1: 10-jährige Zinsbindung, danach Zinserhöhung

  • Kredit: 300.000 €
  • Anfangszins: 3,0 % p.a.
  • Anfangsrate (Annuität inkl. Tilgung 2 %): ca. 1.250 €/Monat

Nach 10 Jahren:

  • Restschuld: ca. 220.000 €
  • Angenommener neuer Zins: 6,5 % p.a.
  • Neue Rate (bei gleicher Tilgung): ca. 1.800 €/Monat

Fazit:
Wer mit einer Rate von rund 1.800 € ab Jahr 11 klarkommt, kann entspannt auf eine kürzere Zinsbindung setzen und während der ersten 10 Jahre mit niedrigerer Belastung schneller tilgen.


Beispiel 2: 20-jährige Zinsbindung

  • Kredit: 300.000 €
  • Anfangszins: 3,6 % p.a. (höherer Zins wegen längerer Bindung)
  • Anfangsrate (Annuität inkl. Tilgung 2 %): ca. 1.300 €/Monat

Vorteil:
Die Rate bleibt volle 20 Jahre konstant, unabhängig von der Marktentwicklung. Eine Zinserhöhung zur Laufzeit fällt komplett weg.

Fazit:
Wer kein Risiko eingehen möchte oder ein knappes Budget hat, ist mit einer langen Zinsbindung besser beraten, auch wenn der Startzins etwas höher ist.


Beispiel 3: Flexible Strategie mit 10 Jahren + Sondertilgung

  • Kredit: 300.000 €
  • Anfangszins: 3,0 % p.a.
  • Zusätzliche Sondertilgungen: 5.000 €/Jahr

Nach 10 Jahren:

  • Restschuld durch Sondertilgungen reduziert auf ca. 170.000 €
  • Neue Rate (bei 6,5 % Zins): ca. 1.400 €/Monat

Fazit:
Durch regelmäßige Sondertilgungen sinkt die Restschuld, wodurch ein späterer Zinsanstieg viel weniger ins Gewicht fällt.


Wann ist eine lange Zinsbindung sinnvoll?

Eine lange Zinsbindung (15–30 Jahre) solltest du ernsthaft in Betracht ziehen, wenn:

  • Dein Einkommen sich in Zukunft kaum erhöhen wird.
  • Die Anfangsrate bereits einen großen Teil deines Einkommens beansprucht.
  • Du absolute Planungssicherheit wünschst.
  • Du eine Immobilie langfristig selbst nutzen möchtest.

Gerade bei Erstfinanzierungen oder geringem Risikopuffer ist es besser, etwas mehr Zinsen zu zahlen und dafür nachts ruhig schlafen zu können.

Wann reicht eine kurze Zinsbindung?

Eine 10-jährige Zinsbindung kann sich lohnen, wenn:

  • Dein Einkommen voraussichtlich deutlich steigen wird (Karriereentwicklung).
  • Du hohe Anfangstilgung oder Sondertilgungen einplanst.
  • Du flexibel bleiben möchtest, weil z.B. ein Immobilienverkauf nach 10–15 Jahren denkbar ist.
  • Du bereit bist, das (überschaubare) Risiko eines später höheren Zinssatzes zu tragen.

In vielen Fällen kannst du in den ersten Jahren durch geringere Zinsen schneller tilgen und so dein Gesamtrisiko zusätzlich senken.


Fazit

Die Entscheidung für eine 10-, 20- oder 30-jährige Zinsbindung ist keine exakte Wissenschaft, sondern eine bewusste Risikoabwägung. Mit solider Analyse deiner eigenen Situation – und realistischer Betrachtung der künftigen Zahlungsfähigkeit – kannst du das Modell wählen, das am besten zu dir passt.

Tipp: Lass dir verschiedene Varianten durchrechnen – und plane immer auch „worst case“ Szenarien ein. So findest du die Lösung, mit der du auch in 10 oder 20 Jahren noch ruhig schlafen kannst.

 

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